Quo vadis Nutztierhaltung?
Transformation nur im Einklang mit Landwirtschaft, Industrie und Handel
Rheda-Wiedenbrück/Berlin – Wohin entwickelt sich die deutsche Nutztierhaltung? 150 hochkarätige Gäste aus Wirtschaft, Politik, Handel und Landwirtschaft haben diese Frage auf dem Symposium der Tönnies Forschung in dieser Woche in Berlin eindeutig beantwortet: Tierhaltung ist und bleibt essentieller Teil einer kreislauforientierten Landwirtschaft und Fleisch ein wichtiger Baustein für eine ausgewogene, gesunde Ernährung. Elementar ist eine gemeinsame Marschrichtung aller Beteiligten in der Kette.
Die gemeinnützige Tönnies Forschung hatte das Who ist Who des Lebensmitteleinzelhandels, der Wirtschaft, Landwirtschaft und Politik zu seinem inzwischen sechsten Symposium nach Berlin eingeladen. Im Fokus stand die Transformation der heimischen Landwirtschaft. Einig waren sich am Ende alle Expertinnen und Experten: Fleisch bleibt wichtiger und essentieller Teil einer ausgewogenen Ernährung. Sowohl klimatechnisch als auch unter Tierschutzaspekten ist die deutsche Nutztierhaltung weltweit führend. Darüber hinaus arbeitet der Sektor an innovativen Weiterentwicklungen. Ziel ist es, die Nutztierhaltung in Deutschland ökologisch und ökonomisch zukunftsfest auszurichten und aktuellen Herausforderungen anzupassen.
Tierwohl und Emissionsschutz
Die Kernfrage, wie Tierwohl und Emissionsschutz zusammengehen, sowie konkrete und messbare Strategien zur Emissionsminderung standen am zweiten Tag der Veranstaltung im Fokus, zu dem der Kuratoriumsvorsitzende der Tönnies Forschung, Professor Dr. Hans-Joachim Bätza, unter anderem Dr. Thanawat Tiensin begrüßte. Der Bereichsdirektor für Tierhaltung und Tiergesundheit bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) war für diesen Fachtag gemeinsam mit seinem Kollegen Dominik Wisser aus Rom angereist. Sie präsentierten die Ergebnisse einer Studie, wonach der effektivste Weg, die bei der Viehzucht entstehenden Emissionen zu verringern, die Erhöhung der Produktivität entlang der Produktionskette ist.
Untermauert wurden diese Erkenntnisse von Professor Dr. Dr. Wilhelm Windisch, bis 2022 Ordinarius für Tierernährung an der TU München, Lehrstuhl für Tierernährung. Landwirtschaft sei ein komplexes Netzwerk, man könne Tiere und Pflanzen nicht trennen, betonte der Wissenschaftler. Das Bindeglied sei die nicht-essbare Biomasse. Bei allen pflanzlichen Lebensmitteln, die hergestellt werden, werden neben der eigentlichen Frucht auch ein deutlich größerer Teil wie Stängel, Blätter und dergleichen geerntet. Nur die Nutztiere seien in der Lage, diese zu verdauen, also die grundlegenden Basisbausteine wie Aminosäuren, Glukose oder Fettsäuren für den Stoffwechsel zu extrahieren. Nutztiere seien also nicht nur nützlich, sondern essenziell. Und: „Für den Klimawandel ist die Industrialisierung verantwortlich – nicht die Tierhaltung.“
Wie Tierwohl und Emissionsschutz zusammengehen, das erläuterte Professorin Barbara Benz, Fakultät für Agrarwirtschaft, Volkswirtschaft und Management an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Nürtingen-Geislingen. Dr. Wilhelm Jaeger, Tönnies-Unternehmensgruppe, stellte die Klimaplattform-Fleisch vor. Damit möchte die Branche im Schulterschluss mit landwirtschaftlichen Partnern messbare CO2-Reduktionsstrategien umsetzen.
Nachfolgend die Präsentationen unserer Redner in chronologischer Reihenfolge:
Dr. Thanawat Tiensin
“Sustainable Livestock Transformation”
Dr. Dominik Wisser
“Pathways towards lower emissions”
Prof. Dr. Dr. Wilhelm Windisch
“Ressourcenschonende Nutztierhaltung”
Prof. Dr. Barbara Benz
“Tierwohl und Emissionsschutz – wie geht das zusammen?”
Dr. Wilhelm Jaeger
“Klimaplattform Fleisch”
Norbert Haberger erhält
Bernd-Tönnies-Medienpreis
Norbert Haberger ist der diesjährige Preisträger des renommierten Bernd-Tönnies-Preises. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung durfte der Journalist im Rahmen des Symposiums der Tönnies Forschung in Berlin für seinen Film „Umweltschutz oder Ertrag? Landwirte in der Zwickmühle“ entgegennehmen. Mit seinem Beitrag in der Reihe „Unser Land“ des Bayrischen Rundfunks (BR) setzte sich Haberger gegen rund zwei Dutzend weitere preisverdächtige Werke aus den Bereichen Print, Radio, Fernsehen und Online durch.
Martina Lenk als Mitglied der Jury des Bernd-Tönnies-Preises würdigte in ihrer Laudatio die hohe Qualität aller eigegangenen Bewerbungen. „Ein Beitrag stach aber hervor – der von Norbert Haberger“, sagte sie im Rahmen der Preisverleihung. Mit seinem Film für den BR habe der Journalist die Komplexität der Themen Tierwohl in der Nutztierhaltung und Auswirkungen auf das Klima einer breiten Öffentlichkeit geschickt nähergebracht.
So stellt Norbert Haberger in dem 30-minütigen Film eine Bio-Rinder-Alm in Südbayern mit 27 Tieren einem Hochleistungs-Betrieb mit 600 Kühen in Bayern hinsichtlich ihrer Klima-Bilanz gegenüber. Beide treten in einem imaginären Wettbewerb gegeneinander an und lassen sich von der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft mittels Klimarechner vergleichen. „Der Laie versteht im Laufe des Beitrags: Es geht nicht nur darum, dass die Kühe fröhlich auf der Wiese herumtollen – Tierwohl kann durchaus auch in der herkömmlichen Produktion gegeben sein“, führte Martina Lenk weiter aus.
Haberger habe den Film als spannenden Wettbewerb gestaltet, der mit Einschätzungen von Wissenschaftlern und anderen Fachleuten unterfüttert und angereichert wurde. Dank der Spannung bleibe der Zuschauer bis zum Ende des halbstündigen Beitrags dabei. „Denn schließlich möchte er nun wissen: Wer macht das Rennen? Können Tierwohl und Klimaschutz gleichzeitig gelingen?“ Und so dürfte sich ein Großteil Zuschauer sicherlich verwundert die Augen gerieben haben, dass der große Hochleistungs-Zuchtbetrieb beim CO2-Fußabdruck am Ende die Nase vorne hat.
„Sie haben die breite Öffentlichkeit erreicht, Tierwohl und Klimaschutz gemeinsam betrachtet, dramaturgisch hervorragend aufbereitet und gleichzeitig Schwierigkeiten benannt. Wir meinen: charmant gelöst und damit der verdiente Preisträger des Bernd-Tönnies-Preises 2024“, unterstrich Martina Lenk und überreichte den Preis gemeinsam mit dem Gesellschafter der Tönnies-Gruppe, Robert Tönnies.
Ein herzliches Dankeschön möchten wir allen Bewerbern um den Bernd-Tönnies-Medienpreis aussprechen. Wir haben die Vielfalt und Kreativität der eingereichten Beiträge mit großem Interesse und Anerkennung betrachtet. Die Entscheidung ist angesichts der hohen Qualität aller Veröffentlichungen außerordentlich schwierig gewesen. Nachfolgend eine kleine Auswahl.
Norbert Haberger:
“Umweltschutz oder Ertrag? Landwirte in der Zwickmühle”
Patrick Hünerfeld:
„Die verborgene Welt der Turboputen”
Patrick Hünerfeld:
„Besseres Leben für Schweine!“
Ariane Alter, Nadine Hadad und Sebastian Meinberg:
„Nachhaltiger Fisch-Konsum: Worauf kann ich achten?“
Andreas Horchler:
„Frachtgut Tier – Doku über länderübergreifende Tiertransporte”
Im Dialog
Fotograf David Inderlied hat das Geschehen beim Symposium mit der Kamera festgehalten. In unserer Galerie gibt es eine Auswahl an Bildern, die am 11. und 12. März 2024 im F.A.Z.-Atrium in Berlin entstanden sind. Weitere Fotos finden Sie hier.
Wie ist der Stand der Wissenschaft?
Während des Symposiums sind wissenschaftliche Poster zu den aktuell von der Tönnies Forschung gGmbH geförderten Projekte gezeigt worden, die wir Ihnen hier gerne zur Verfügung stellen.