GenoSINS – Nutzung der genetischen Variabilität gegenüber SINS zur Aufklärung der Pathogenese und zur Entwicklung von Genmarkern für Diagnostik und Selektion

Zusammenfassung

Dank der Förderung durch die Tönnies Forschung konnte auf breiter Ebene damit begonnen werden,
die Symptome von SINS noch besser zu beschreiben, deren molekulare Basis zu entschlüsseln,
ursächliche Faktoren zu vervollständigen und damit Ansätze zur wirksamen Reduktion des weit
verbreiteten Syndroms zu etablieren. Wir konnten vier Praxisbetriebe rekrutieren, die mit
verschiedenen Genetiken arbeiten und/oder über genaue Aufzeichnungen aus dem Einsatz
verschiedenster Eber verfügen. Von Betrieb B1 stehen uns 14.000 Datensätze von DE‐Jungsauen mit
genauer Abstammung und individueller Erfassung von Schwanz‐, Zitzen‐ und Ohrläsionen zur
Verfügung. Zum jetzigen Stand lassen sich von SINS betroffene Nachkommen im wesentlich auf
lediglich ca. 6 % der eingesetzten Eber zurückführen. Unter diesen Bedingungen könnte genetische
Selektion erfolgreich gegen SINS eingesetzt werden. In den kommenden Wochen werden wir
Erblichkeiten und Zuchtwerte erarbeiten.


Von einem Pietrain‐Betrieb (B2) mit vermuteten SINS‐Unterschieden zwischen den Ebern liegen uns
Boniturdaten von 100 Ferkeln vor. Mit Abschluss der Vaterschaftstests werden wir in der Lage sein
die genetischen Effekte der Eber zu analysieren. Auf zwei weiteren Betrieben (B3 und B4) werden
Duroc‐ und Pietrain‐Eber im Mischsperma‐Ansatz verglichen. Ergebnisse stehen noch aus.
Saug‐ und Absatzferkel von Betrieb B5 (Vergleich zweier unterschiedlicher Pietrain‐Linien), die
bereits im Vorversuch erhoben, und nun vertieft untersucht werden können, zeigen eine erhebliche
SINS‐Prävalenz. Der genetische Einfluss der Vaterlinie lässt sich bestätigen und in einer genomweiten
Assoziationsstudie mit DNA‐Chips konnten erste QTL (Genorte, die sich an der Variabilität
quantitativer Merkmale beteiligen) identifiziert werden. Besonders hervorzuheben ist ein QTL auf
dem X‐Chromosom, der hochsignifikant mit dem Auftreten von Zitzenentzündungen assoziiert ist.
Der Befund wird durch das Ergebnis einer 4 Mal stärkeren Prävalenz von Zitzenentzündung bei
weiblichen Tieren untermauert. Insgesamt unterstreichen die Genorte die Komplexität von SINS.
Entsprechend der Hypothese scheint eine ganze Reihe von Genvarianten ursächlich beteiligt.
Im Hauptteil des geförderten Versuchs sollen die beteiligten Genregionen etabliert und näher
untersucht werden. In genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) sollen die phänotypischen
Unterschiede innerhalb der Rasse Pietrain und zwischen Pietrain und Duroc Hinweise auf die
zugrundeliegenden Gene erlauben. Hierzu werden Eber benötigt, deren Nachkommen sich möglichst
maximal in ihrer Empfindlichkeit gegenüber SINS unterscheiden. Bislang konnten wir 100
Nachkommen von jeweils 2 Linien mit 4 Ebern der Rassen Pietrain und Duroc untersuchen. Die
beiden Rassen unterscheiden sich erheblich und statistisch hochsignifikant in ihrer Empfindlichkeit
gegenüber SINS. Auch innerhalb der Rasse Pietrain lassen sich signifikante Unterschiede zwischen 2
Ebern nachweisen. Die aus dem Vorversuch heraus ursprünglich vorgesehenen Pietrain‐Eber mit den
stärksten Unterschieden standen als Väter leider nicht mehr zur Verfügung, da sie aus Altersgründen

bereits geschlachtet wurden. Ende November werden weitere Würfe aus potentiell SINS‐resistenten
Pietrain‐Ebern fallen. Zusammen mit den bereits validierten Ebern (PI1 und PI4) sollen diese die
Grundlage für die Erzeugung der Ferkel für die GWAS darstellen.
Die neue FLIR TK 1020 Infrarot‐Kamera erlaubt mit ihrer hohen Auflösung die Visualisierung
veränderter Blutgefäße in beginnenden Veränderungen. Durchblutungsstörungen, beispielsweise am
Schwanz lassen sich durch abrupten Temperaturabfall schon in einer sehr frühen Phase der
anlaufenden Entzündung erkennen. Derzeit arbeiten wir daran, die visuellen Eindrücke in
systematisch bewertbare und interpretierbare Daten zu überführen. Diese Daten sollen dann zur
Verbesserung der SINS‐Diagnostik und zur Unterstützung der Phänotypen in den genomweiten
Assoziationsstudien verwendet werden.
Neben diesen konkreten Ergebnissen und Aussichten zum Forschungsprojekt bleibt festzuhalten,
dass SINS inzwischen als echte Innovation in der Praxis ankommt und von erfolgreichen Landwirten
sehr gut umgesetzt wird. Diese Entwicklung ist auch der Förderung durch die Tönnies Forschung zu
verdanken. Zusätzlich laufen inzwischen mehrere Projekt‐, Bachelor‐, Master‐ und Doktorarbeiten an
anderen Lehreinrichtungen in Deutschland.
Wir arbeiten bundesweit mit 3 Zucht‐ und 3 Besamungsstationen zusammen und beraten hier ca. 20
Betriebe zu Fragen von SINS, einschließlich der Genetik. Wir arbeiten mit 4 Landesanstalten bzw.
Lehreinrichtungen der Schweinehaltung zusammen; hier werden Saugferkelsignale praktisch
angewandt. Hierzu zählt schon seit 2018 die LSZ Boxberg.
SINS ist inzwischen Teil der Lehre an der Uni Gießen, der Uni Hohenheim, sowie am Bildungszentrum
Triesdorf.
Mit dem Schweinegesundheitsdienst Baden‐Württemberg besteht eine besonders enge
Zusammenarbeit. Gemeinsam werden die Erkenntnisse zu SINS in der neuen Schweinesignal‐App
“FitForPigs” umgesetzt. Über die Uni Gießen und den Schweinegesundheitsdienst Baden‐
Württemberg ist SINS auch Prüfungsinhalt für die Fachtierarztprüfung Schwein.
Das EiP Caudophagie‐Projekt Thüringen basiert auf SINS Ansätzen und wurde inzwischen erfolgreich
abgeschlossen.
Sechs Betriebe der Modell‐ und Demonstrationsvorhaben setzen SINS Erkenntnisse und Tiersignale
ein auf dem Weg zu mehr Tierschutz & Tierwohl.
Anfragen aus dem englischsprachigen Ausland führen zu weiteren internationalen Kontakten und
Zusammenarbeiten.
Schließlich wurden Arbeiten zu SINS in Animals, CAB‐abstracts und im Deutschen
Tierärzteblatt veröffentlicht.